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Tutorial 62: Wärmeerzeuger mit unterschiedlichen Temperaturniveaus (Reihenschaltung)

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Reihenschaltung von Wärmeerzeugern unterschiedlichen Temperaturniveaus

Die Integration von Nieder- und Hochtemperaturwärmeerzeugern in ein Energiesystem stellt ein spezielles Problem dar. Wie man damit umgeht, wenn eine Reihenschaltung vorliegt, wird in diesem Artikel erläutert und anhand des Tutorials 62 beispielhaft vorgeführt.

Der Artikel richtet sich an erfahrene TOP-Energy-Anwender, da die komplexen Sachverhalte ein tiefgründiges Verständnis der Simulations- und Optimierungsvorgänge voraussetzen.

Die hier aufgegriffene Problemstellung tritt auf, wenn in einem Projekt der Wärmebedarf durch (mindestens) zwei Erzeuger mit unterschiedlichen Austrittstemperaturen gedeckt werden soll und das niedrigere Temperaturniveau zu gering für den Bedarf ist.

Beschreibung des Problems anhand eines Beispiels

Im vorliegenden Energiesystem soll ein Heizwärmebedarf auf einem Temperaturniveau von 60° C durch eine Kombination aus zwei Erzeugern gedeckt werden. Eine Geothermieanlage liefert Energie auf einem Temperaturniveau von nur rund 35° C, daher muss mit einer Power-to-Heat-Anlage zugeheizt werden. Für die folgende Betrachtung wird vorausgesetzt, dass die Power-to-Heat Anlage „teurer“ ist, das heißt hier, dass sie mehr Strom pro erzeugte Kilowattstunde Wärme verbraucht.

Wird eine Betriebsoptimierung mit dem in der Abbildung oben dargestellten Modell durchgeführt, ergibt sich das rechnerisch richtige, aber technisch unmögliche Verhalten, bei dem die Geothermieanlage wegen der geringeren Kosten mit maximaler Leistung betrieben und die technisch bedingte Höchsttemperatur der Geothermieanlage von 35° C überschritten wird. Die Power-to-Heat-Anlage wird demnach nur in dem Fall zugeschaltet, wenn die Leistung der Geothermie-Anlage nicht ausreicht.

Nachfolgend werden Möglichkeiten aufgezeigt, das gewünschte, technisch realistische, Verhalten in TOP-Energy abzubilden, ohne die Austrittstemperatur der Geothermieanlage vorzugeben. Es werden dabei drei Fälle unterschieden:

  • Fall 1: Die Nennleistung der Geothermieanlage ist sehr viel kleiner als der Wärmebedarf. Der Großteil der Energie muss immer von der Power-to-Heat-Anlage geliefert werden.
  • Fall 2: Die Nennleistung der Geothermieanlage ist sehr viel größer als der Heizwärmebedarf und kann als „unerschöpfliche Quelle“ interpretiert werden.
  • Fall 3: Beide Situationen können auftreten: die Nennleistung der Geothermieanlage liegt manchmal unter und manchmal über dem Heizwärmebedarf.

Fall 1

Wenn die Nennleistung der Geothermieanlage sehr viel kleiner als der Wärmebedarf ist, können die Anlagen ohne weitere Eingriffe in Reihe geschaltet werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Bedingungen für eine Reihenschaltung eingehalten werden.

Die Austrittstemperatur der Geothermieanlage darf nicht vorgegeben, sondern muss per Rechtsklick auf berechneter Wert gesetzt werden. Nach der Simulation kann durch eine Kontrolle der berechneten Austrittstemperatur, die unter Eingabedaten → Technische Eingabedaten angezeigt wird, sichergestellt werden, dass die Bedingungen eingehalten und plausible Ergebnisse erzeugt wurden.

Das System wäre physikalisch und mathematisch überbestimmt, wenn auch die Austrittstemperatur der Geothermieanlage vorgegeben werden würde.

Weil dann die Ein- und Austrittstemperaturen des Niedertemperaturwärmeerzeugers festgelegt wären (der Eintritt wäre durch den Austritt am Heizwärmebedarf bestimmt), wäre der Massenstrom durch die Gleichung \( \dot{Q} =\dot{m} \cdot c_p \cdot \Delta T \) eindeutig bestimmt (\(\dot{Q}\) ist als Ergebnis des Optimierungsproblems ebenfalls festgelegt).

Für die nächste in Reihe geschaltete Komponente, den Hochtemperaturwärmeerzeuger, gilt das Gleiche: Der Massenstrom wird über das Temperaturverhältnis festgelegt. Da aufgrund der Reihenschaltung derselbe Massenstrom durch beide Wärmeerzeuger fließen muss, kann diese Gleichheit in den meisten Fällen nicht erreicht werden.

Fall 2

In diesem Fall gibt es ein sehr großes Wärmereservoir auf niedrigem Temperaturniveau, dessen Wärme günstig bereitgestellt werden kann. Dem Problem, dass die Austrittstemperatur des Niedertemperaturerzeuger-Kreises nicht hoch genug für den Bedarf ist, kann durch geschickte Manipulation der Optimierung begegnet werden. Temperaturen können zwar nicht direkt zur Beschränkung des Optimierungsproblems im Wärmekreislauf verankert werden, aber die Optimierung kann so beeinflusst werden, dass die Temperaturgrenzen eingehalten werden.

Die Grundidee ist, die Leistung der beiden Erzeuger aneinander zu koppeln, sodass der günstigere Niedertemperaturerzeuger nicht die gesamte Energie liefern kann, sondern ins Verhältnis zum Hochtemperaturerzeuger gesetzt und so beschränkt wird. Dieses Verhältnis kann man über das Verhältnis der Temperaturen berechnen:

Die Gleichungen für die Wärmeerzeugung des Hochtemperatur- (HT) und Niedertemperaturerzeugers (NT) sind wie folgt:

\(\dot{Q}_{HT} =\dot{m} \cdot c_p \cdot \Delta T_{HT} \\
\dot{Q}_{NT} = \dot{m} \cdot c_p \cdot \Delta T_{NT}\\\)

Im vorliegenden Beispiel:

\(\dot{Q}_{HT}= \dot{m} \cdot c_p \cdot (60°C – 32 °C) \\
\dot{Q}_{NT} = \dot{m} \cdot c_p \cdot (32°C – 24 °C)\\ \)

Der Quotient Niedertemperatur zu Hochtemperatur berechnet sich als:

\( \begin{equation} \begin{aligned} \dfrac{\dot{Q}_{NT}}{\dot{Q}_{HT}} &= \dfrac{\dot{m} \cdot c_p\cdot (32°C – 24 °C)}{\dot{m} \cdot c_p \cdot (60°C – 32 °C)} \\&= \dfrac{32°C – 24 °C}{60°C – 32°C} \\ &= 0,2 \end{aligned}\end{equation}\\\)

 

Im Beispiel des Tutorials 62 in der Variante 2 stellt die Wärmepumpe eine günstige Quelle aus einem großen Energiereservoir dar. Nach der obigen Rechnung darf diese aber nur rund ein Drittel der insgesamt benötigten Heizenergie bereitstellen.

Die Umsetzung in TOP-Energy erfolgt durch die Verwendung der Komponenten der Programmierbaren Steuerung.

Die folgende Gleichung wird durch die Verschaltung der entsprechenden Logikelemente dargestellt und muss in jedem Simulationsschritt eingehalten werden:

\(\dot{Q }_{NT} \cdot \dfrac{60°C – 32 °C}{32°C – 24 °C} = \dot{Q}_{HT} \\\)

Als Ergebnis der Simulation beträgt die Austrittstemperatur der Wärmepumpe zu jedem Zeitpunkt 32° C (beachten Sie, dass es ein berechneter Wert ist und dieser nicht vorgegeben wurde).

Durch die Vorgabe zwingt man die beiden Erzeuger, immer in dem festgelegten Verhältnis zueinander Wärme zu erzeugen. Dies stellt eine Beschränkung des Optimierungsproblems dar.

Für den Fall, dass der Wärmebedarf so groß und die Nennleistung eines Wärmeerzeugers so klein ist, dass auch bei Volllast des schwachen Wärmeerzeugers der Wärmebedarf nicht unter Einhaltung des vorgeschriebenen Verhältnisses der Wärmeerzeuger gedeckt werden kann, gibt es keine Lösung. Kommt eine der Wärmeerzeuger-Komponenten an ihre Maximallast, so kann die andere aufgrund des festen Verhältnisses nicht darüber hinaus produzieren. Wenn zum Beispiel die Anlagen Power-to-Heat mit einer Nennleistung von 100 kW und Wärmepumpe mit einer Nennleistung von 10 kW nur in kombiniertem Betrieb im festen Verhältnis 2:1 betrieben werden sollen, wird ein Wärmebedarf von 60 kW zwangsläufig auf 40 kW (Power-to-Heat) und 20 kW (Wärmepumpe) aufgeteilt. Aufgrund des fixen Verhältnisses erreichen die beiden Anlagen nur eine Gesamtnennleistung von \( 2 \cdot 10 [kW]_{P2H} + 1*10 [kW]_{Wärmepumpe}\). Die Leistung der Power-to-Heat-Anlage kann also durch diese modellierte Einschränkung nicht voll ausgeschöpft werden.

Fall 3

Falls die Anforderungen an das Energiesystem nicht durch den Fall 1 oder 2 erfüllt werden können, gibt es eine dritte Möglichkeit, auf das Optimierungsproblem einzuwirken.

In der Variante 3 des Tutorials dient als Niedertemperaturquelle ein angeschlossener Kühlkreislauf. Die Abwärme aus der Kompressionskältemaschine (KKM) kann ausgespeist und in den Wärmekreislauf integriert werden. Allerdings schwankt der Kältebedarf so stark, dass die Abwärme zu manchen Zeitpunkten überschüssig und zu anderen ungenügend zur Verfügung steht.

Die Umsetzung in TOP-Energy erfolgt ähnlich wie im Fall 2. Das Temperaturverhältnis der Wärmeerzeuger wird berechnet, um die Austrittstemperatur des Niedertemperaturwärmeübertragers (Wärmeabgabe an Warmwasser aus dem Komponentenvorlagen-Ordner Wärmeübertragung) implizit zu begrenzen. Hier werden im Unterschied zu Fall 2 die Logikkomponenten dahingehend erweitert, dass das Verhältnis nicht starr eingehalten werden muss, sondern nur eine Schranke für die maximale Erzeugung der Niedertemperaturwärme darstellt.

Die Binärvariablen in den Komponenten Binary-A-Binary-L und 1 entspricht true setzen die mathematische Ungleichung in der Größer-LL-Komponente als „wahr“. Hier wird nicht geprüft, ob die Größer-gleich-Bedingung erfüllt ist, sondern durch das Setzen des Ergebnisses als „wahr“ wird die Einhaltung der Bedingung erzwungen.

Die detaillierten Beschreibungen der Komponenten der programmierbaren Steuerung finden Sie hier.

Die Gleichung, welche die abgebildeten Logikelemente zeigt, lautet wie folgt:

\( \dot{Q}_{HT} \cdot \dfrac{32°C – 24°C} { 60°C – 32°C }>= \dot{Q}_{NT}\\\)

Das Ergebnis in TOP-Energy liefert das gewünschte Verhalten: Die Leistung des Wärmeübertragers (NT) (Wärmeabgabe an Warmwasser) wird implizit beschränkt, sodass maximal genau so viel Energie geliefert werden kann, dass eine Temperaturanhebung in der Komponente Wärmeabgabe an Warmwasser auf 32° C stattfindet. In den Fällen, in denen überschüssige Niedertemperaturwärme aus dem Kühlkreislauf zur Verfügung steht, muss diese durch den Rückkühler abgeführt werden. Dieses Verhalten kann in dem folgenden Diagramm nachvollzogen werden: Ist die Austrittstemperatur des Wärmeübertragers (in °C, rote Linie) kleiner als 32° C, muss der Rückkühler keine Kühlleistung erbringen. Sobald die 32° C erreicht werden, muss eine zusätzliche Kühlleistung (in kW, blaue Balken) durch den Rückkühler erbracht werden.

Rückkühler

Zusammenfassung

Die hier vorgestellten Lösungsvorschläge sollen das Konzept der Logikkomponenten zur Beeinflussung des Optimierungsproblems verdeutlichen. Je nach Anwendungsfall kann die Lösung adaptiert oder erweitert werden (z. B. können Temperaturverläufe für Austrittstemperaturen in die Logik-Formulierung eingepflegt werden).

Das Konzept der temperaturniveauabhängigen Leistungskopplung der Aggregate kann auch für Parallelschaltungen angewendet werden. Welche Besonderheiten bei Parallelschaltungen zu beachten sind, beschreibt der Artikel Wärmeerzeuger mit unterschiedlichen Temperaturniveaus (Parallelschaltung). Es liegt im Ermessen des Nutzers zu entscheiden, welches technische System sich auf welche Weise am besten abbilden lässt.

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